Digitalisierung – Schule

Von | 4. Januar 2021

Vorbemerkung I: Twitter, Facebook und Co sind nur bedingt geeignet in Kommentaren oder Postings mehr als zugespitzte Beiträge zu formulieren. Meine Gedanken zum Thema Digitalisierung und Schule will ich daher hier mal in Ruhe ordnen, die Probleme bestehen schon lange, die aktuelle Pandemie wirkt nur wie ein Brennglas.

Vorbemerkung II: Ja es gibt tolle Schulen, tolle LehrerInnen und super SchulleiterInnen. Vieles funktioniert weil Einzelne sich über das normale Maß (auch Eltern und SchülerInnen) engagieren. Trotzdem nehme ich als politisch interessierter Vater eine Dysfunktionalität war, die schon zu meiner Schulzeit existiert hat. Ich habe das Abitur vor 36 Jahren gemacht. Zugespitzt in einem Twitter-Kommentar schrieb ich. „Was machen eigentlich die Kultusministerien?“.

Grundschulen: An die Grundschulen habe ich die Erwartung, dass alle SchülerInnen nach 4 (-5) Jahren Lesen, Schreiben und Rechnen können, sowie ein wenig ihre Arbeit selbst organisieren, also wissen das man sich für Hausarbeiten in Ruhe hinsetzt und diese (möglichst) selbstständig erledigt. Bereits diese Minimalanforderung wird nicht erreicht. Auch immer neue Ideen, wie man diese drei Themen denn nun am besten erlernt, haben in den letzten Jahrzehnten die Situation nicht verbessert. Dabei liegt die Lösung auf der Hand. Kleinere Klassen, mehr Zuwendung gerade bei „schwierigen“ SchülerInnen, die ja für ihre „Schwierigkeiten“ nichts können. Dass Kinder aus privilegierten Haushalten Schwächen der Schule kompensieren können ist klar. Es geht um die, die das nicht können, aus welchen Gründen auch immer.

Ob man Lesen, Schreiben und Rechnen mit Keil und Steintafel oder Tablet lernt, ist mir im Übrigen völlig egal. Hauptsache das Ergebnis passt. Wer gut lehrt hat Recht. Insofern steht bei der Digitalisierung der Bildung die Grundschule bei mir nicht Vordergrund. Allerdings wäre es natürlich gut wenn zeitgemäße Video- Konferenztechnik als ein Mittel der Kommunikation zur Verfügung steht, und man nicht auf Brieftauben (also Zettel austragende Eltern) angewiesen ist.

Weiterführende Schulen sollen meiner Überzeugung nach einen Kanon von Grundwissen vermitteln, das die SchülerInnen in die Lage versetzt die Welt um sich herum zu begreifen, verstehen, bewerten und gestalten zu können. Kurz das Ziel sind mündige Bürger, die selber denken können. „Selber denken“ bedeutet nicht Quer-Denken in der aktuellen Auslegung. „Selber denken“ bedeutet im Sinne der Aufklärung, Meinung und wissenschaftliche Wahrheiten auseinander halten zu können. Die Erde ist definitiv keine Scheibe. Zu wissen das wissenschaftliche Wahrheiten trotzdem veränderlich sein können, also nur gelten bis eine bessere Hypothese bewiesen ist. Dennoch ist nicht alles, was behauptet wird, wahr, sondern in Teilen einfach Geschwurbel, Verschwörungsmythen oder Hass.

Zu diesem Grundwissen gehört mittlerweile auch wie Computer funktionieren und was man mit Ihnen machen kann. Ein Computer ist mehr als ein Fernseher oder eine Spiele-Konsole, sondern ein technisches Gerät mit dem man eigene Ideen realisieren kann. Ob man dazu nun Pascal, Python, Scratch oder was auch immer, für einen kleinen Einblick verwendet, ist eigentlich egal. Aber das Wissen wie Computer funktionieren, wo ihre Limitierungen liegen und das Computernutzung mehr ist, als die Software eines Monopolisten wie eine Mikrowelle bedienen zu können, sollte eine Erfahrung und Wissen aller Schüler bis Klasse 10 sein.

Historisches: Ich habe mein Abitur 1986 an einer Vorzeige MINT-Schule in Berlin, der heutigen Lise-Meitner-Schule gemacht. Wir hatten eine Mathe Leistungskurs mit 11 SchülerInnen, der fast personengleich auch den Informatikgrundkurs gebildet hat. Auch wenn schon damals einige SchülerInnen besser programmieren und administrieren konnten, als der Lehrer, hat man zu einem konstruktiven spannenden Unterricht gefunden. Dafür hatten die zwei Physik Leistungskurse dann über 30 SchülerInnen. Amazon wurde 1996 vor nun mehr 26 Jahren gegründet, das Word-Wide-Web mit http(s), wie wir es heute kennen, erblickte 1991 am CERN in Genf das Licht der Welt, vor 29 Jahren. D.h. LehrerInnen, die heute mit 63 in den Vorruhestand gehen, waren bei der Entstehung des Web 34 Jahre alt, haben also die gesamte Entwicklung in Ihrem Berufsleben verfolgen können. Dessen ungeachtet steht bis heute nicht jedem Abiturjahrgang ein Wahl Informatik (Computerkunde) Kurs zur Verfügung, von verpflichtenden Grundkursen ganz zu schweigen. Dies obwohl Computer das zentrale Arbeitsmittel unserer Zeit mit großen Auswirkungen in die Gesellschaft (Social-Media) sind.

Oberstufen: Damit habe ich dann auch schon meine Erwartungshaltung an Oberstufen formuliert. Vernünftige Ausstattung mit Computern, idealerweise auf Basis freier Software und verpflichtende Informatik/Computerkunde Grundkurse für alle SchülerInnen. Ohne diese Kenntnisse haben die SchülerInnen, wenig Chancen die Arbeitswelt zu verstehen oder gar als späterer EntscheidungsträgerInnen sinnvoll zu beeinflussen.

Notwendigkeiten: Natürlich kann das pädagogische Lehrmaterial, die IT-Infrastruktur und alles was sonst damit zusammenhängt nicht von engagierten LehrerInnen mal so nebenbei erstellt werden. Seit mindestens 35 Jahren ist klar was notwendig ist und es wurde bereits „damals“ an einigen Schulen gezeigt was und wie es geht. Daher meine Frage von oben „Was machen eigentlich die Kultusministerien?“ Offensichtlich ist in der Fläche, also außerhalb von Vorzeigeprojekten, wenig passiert.

Pandemie: In der Pandemie zeigen sich diese Versäumnisse nun wie unter einem Brennglas. Würde es eine IT-Infrastruktur an den Schulen geben und gäbe es flächendeckend Fachkräfte an den Schulen, könnte man den aktuellen Herausforderungen adäquat begegnen. So ist es aber unendlich schwierig. Und dennoch scheint man die Herausforderungen noch nicht einmal im Ansatz begriffen zu haben. Für Großkonzerne zur Rettung veralteter Geschäftsmodelle (Kohlestrom, Lufthansa, TUI, etc.) haut man die Milliarden nur so raus. Infrastruktur in Form von Hardware und Personal an den Schulen zu schaffen, bekommt man aber nicht hin. Seit dem März 2020 bis heute (Jan 2021) hat sich grundsätzlich nichts verändert. Stattdessen begibt man sich in Abhängigkeit eines Monopolisten und vermittelt den Schülern den Eindruck Computer nutzen, sei die Anwendung von bestimmter Software, zu der es keine Alternativen gibt. „Was machen eigentlich die Kultusministerien?“

Fragen: Gleichzeitig betonen KultusministerInnen und Bildungspolitiker unisono und permanent wie wichtig Bildung ist, das den Kindern Schaden zugefügt wird, wenn sie nicht in Schule können.

  • Warum sind denn dann eigentlich viele Schulgebäude in einem Zustand, dass man als Arbeitgeber Ärger mit der Gewerbeaufsicht bekommen würde, wenn das eine Betriebsstätte wäre?
  • Warum fallen außerhalb der garantierten Unterrichtszeiten ab Klasse 8 gefühlte 20% des Unterricht aus, weil LehrerInnen fehlen/ausfallen?
  • Warum werden LehrerInnen auf SchülerInnen losgelassen, die damit offensichtlich persönlich und fachlich überfordert sind?

Zum Glück ist Schule nur ein Baustein beim Erwachsen werden und viele von denen, die nicht das Glück haben auf die richtigen Umstände und LehrerInnen zu treffen, finden dennoch einen vernünftigen alternativen Weg. Aber es bleibt ein Armutszeugnis, dass in einem Land mit dem vierthöchsten Bruttoinlandsprodukt der Welt es scheinbar keinerlei Fortschritt im Bildungwesen der letzten 35 Jahre gegeben hat.

„Was machen eigentlich die Kultusministerien.“

04.01.2020 Twitter
05.01.2020 kleine grammatikalische Korrekturen

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